1. März 2008
Eine Tanzreise ans andere Ende der Welt
Hongkong im Juli 2007. Experten, Schüler und Studenten aus über 100 Ländern treffen sich zum Weltkongress „Theater in Education“, dem Weltschultheatertreffen. Und mitten drin – wir – als Vertreter Deutschlands!
„Dort zu spielen war etwas ganz besonderes, weil einfach alles anders war. Der Spielort, die Zuschauer, die Atmosphäre und das Stück selbst erschienen irgendwie anders. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal dabei sein kann, wenn Menschen so durch unsere Arbeit berührt und nachdenklich gestimmt werden.“ (Anja Hülse)
„Es war ein unglaubliches Gefühl vor so einem motivierten Publikum zu spielen. Das werde ich nie vergessen!“ (Lloya Brunson)
 Noch heute, Monate später, ist es wie ein Traum. Und erst mit den Fotos in der Hand wird jedem von uns bewusst, dass wir wirklich dort gewesen sind, dort am anderen Ende der Welt.
Zunächst ist da diese unglaubliche Stadt. Eine Stadt, die geprägt ist von ungeheuren Gegensätzen, arm und reich, Schmutz und Glamour. Eine Stadt, die strahlend in den Himmel wächst und dabei Schatten auf einen Großteil ihrer Bewohner wirft. Trotz des all gegenwärtigen Einflusses der westlichen Welt, spürt man überall den fernen, uns fremden Kulturkreis. Unbekannte Gerüche aus Bratküchen, Supermärkte, in denen man Frösche lebend oder bereits zu Hackfleisch verarbeitet kaufen kann, Kakerlaken so groß wie europäische Feldmäuse…
Und dann unsere Aufführung: „Gezeiten“ – eine Tanzcollage in der sich die Tänzer mit der Problematik „Wasser als Lebensmittel“ auseinandersetzen. Dabei berühren sie Fragen nach den Folgen des Wassermangels ebenso wie seine vernichtende Wirkung im Ãœberfluss. Wie sehr damit die Befindlichkeit eines internationalen, besonders asiatischen Publikums getroffen wird, ist für uns nicht halbwegs zu erahnen. Bei unserer Produktion, die angelegt ist, den Zuschauer einzubeziehen, die Grenzen zwischen Bühne und Zuschauerraum aufzuheben, ist jede Vorstellung neu und einmalig. Doch in Hongkong erleben wir Unglaubliches. Eine solche Intensität und Emotionalität während einer Vorstellung ist für eine mitteleuropäische, zu dem norddeutsche Mentalität kaum nachvollziehbar. Zu Tränen ergriffene Zuschauer, ein Publikum, das Teil der Inszenierung wird. In einer Szene, in der das Verdursten mit seinen körperlichen Auswirkungen gezeigt wird, beginnen Zuschauer mit ihren Händen geschöpftes Wasser zu den Tänzern zu tragen. Im Kampf um die letzten Wassertropfen helfen Nebenstehende den Gefallenen auf, stützen sie. Eine neue Theaterdimension für uns! Am Ende der Vorstellung sieht man auf beiden Seiten Tränen in den Augen.
„Nach der Aufführung war ich glücklich, Menschen berührt und zum Nachdenken gebracht zu haben.“ (Theresa Nehl)
 In den Gesprächen nach den Vorstellungen haben wir uns gemeinsam mit den Zuschauern auf die Suche nach Gründen für diese Reaktionen begeben. Eine Erklärung ist vielleicht, dass die Menschen an diesem Ende der Welt der Wasserproblematik, wie z.B. den Tsunamis, direkter ausgesetzt sind. Wir begreifen, wie privilegiert wir in Mitteleuropa leben.
Neben Fachgesprächen mit Kongressteilnehmern treffen wir auch auf Teilnehmer eines chinesischen Jugendcamps. In einer spannenden Gesprächsrunde erfahren deutsche und chinesische Jugendliche viel Interessantes voneinander, und wir begreifen mit welchen Möglichkeiten wir ausgestattet sind.
Natürlich steht auch Lernen auf dem Programm. Da gibt es den Hongkong Express, ein Workshop-Programm im Rahmen des Weltkongresses. Unter der Leitung zweier erfahrener Theaterpädagogen aus den USA und den Philippinen arbeiten 30 Jugendliche aus China, Australien, Großbritannien, den Philippinen, den USA und Deutschland an einem gemeinsamen Theaterprojekt. Diese wird am Ende vor den Teilnehmern des Kongresses aufgeführt. Arbeitssprache ist Englisch. Natürlich führt das manchmal auch zu Missverständnissen und Fragezeichen. Am Ende bleibt die Erfahrung: Theater ist bei allen Unterschieden auch immer eine gemeinsame Sprache.
„Wir haben gesehen, dass die Techniken bei den Theatergrundlagen unseren sehr ähneln. Keine Sprachbarriere konnte uns davon abhalten, gemeinsame Szenen zu erarbeiten.“ (Marie Brombach)
 Die Teilnahme an diesem Weltkongress ist für uns gekennzeichnet durch eine Vielzahl neuer Eindrücke, gewonnen durch praktische Aktivitäten, unzählige Gespräche und interessante Aufführungen aus anderen Theaterkulturen. Mit diesen wundervollen Erlebnissen und einem großen Gefühl des Dankes an alle, die uns bei diesem Wahnsinnsprojekt ideell und finanziell unterstützt haben, gehen wir die neuen Aufgaben an. In einem Monat gibt es die Premiere des „Blaubart.Projekt“.
„Gestärkt und mit vielen neuen Erfahrungen werde ich mich in die nächsten Proben stürzen und bin immer mehr von dem überzeugt, was wir da tun und was wir erreichen können.“ (Theresa Nehl)
Na dann, auf ein Neues!